September 2024
Teure Gesundheitspolitik setzt deutsche Wirtschaft weiter unter Druck.
Deutschlands Unternehmen haben mit hohen Arbeitskosten zu kämpfen. Die Arbeitgeberbeiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), die für Arbeitnehmer zu entrichten sind, setzen die Unternehmen dabei zusätzlich unter Druck. Besonders problematisch ist dies, weil es eigentlich überflüssig wäre.
Aktuell rechnen Experten der Krankenkassen mit einem außergewöhnlich hohen Anstieg der Beiträge um durchschnittlich 0,6 Prozentpunkt bis zum kommenden Jahr - nicht zuletzt auch für Ausgaben der GKV, die eigentlich nicht die Beitragszahler, sondern der Staat zu tragen hätte.
Fragt man Unternehmen, welche Faktoren bei der Standortwahl eine hohe Bedeutung haben, nennen ein Drittel die Unternehmenssteuern, aber zwei Drittel die Arbeitskosten der Beschäftigten. Das ergab kürzlich eine Befragung des Instituts der deutschen Wirtschaft unter mehr als 2.200 Unternehmen.
In kaum einem anderen Land der Welt ist die Differenz zwischen dem Lohn der Arbeitnehmer und den tatsächlichen Kosten für den Arbeitgeber so groß wie in Deutschland - dank hoher Lohnnebenkosten. Das sind vor allem Sozialabgaben für Renten-, Pflege-, Arbeitslosen- und Krankenversicherung.
Sobald die Arbeitskosten zu stark steigen, verlagern Unternehmen, die es sich leisten können, ihre Produktionsstätten ins kostengünstigere Ausland oder ersetzen - soweit möglich - menschliche Arbeit durch Maschinen. Oft verlieren Unternehmen, die wegen zu hoher Arbeitskosten nicht mehr wettbewerbsfähig sind, aber auch Marktanteile an ihre Konkurrenz im Ausland und müssen Arbeitsplätze abbauen. Hiesige Branchen wie die Photovoltaik-Produzenten, die Pharmaindustrie oder die Hersteller von Elektroautos können ein Lied davon singen. Auch andere Branchen stehen ebenfalls unter hohem Kostendruck. Kürzlich titelte das Institut der deutschen Wirtschaft zu seiner Konjunkturprognose für Exportnationen wie USA, Japan oder China im Jahr 2024: „Alle wachsen, Deutschland nicht“.
Gerade die exportorientierten Industrien, die der Motor der gesamten deutschen Volkswirtschaft sind, sind auf wettbewerbsfähige Arbeitskosten angewiesen. Doch bei den Arbeitskosten im verarbeitenden Gewerbe liegt Deutschland unter den großen Exportländern weit vorn: Sie liegen hierzulande pro Stunde bei 45,29 Euro, während sie in den USA bei umgerechnet 41,18 Euro, in Südkorea bei 28,73 Euro, in Japan bei 24,52 Euro und in China bei 10,75 Euro liegen.
Mit jedem Prozentpunkt, um den der Krankenkassenbeitrag steigt, müssen die Arbeitgeber im Durchschnitt je Beschäftigtem 15 Cent mehr pro geleisteter Arbeitsstunde an Arbeitgeberbeiträgen abführen. Bei rund 62 Milliarden geleisteten Arbeitsstunden in Deutschland im Jahr 2023 kommt da einiges zusammen: insgesamt rund 9,3 Milliarden Euro.
August 2024
Das Bundesgesundeitsministerium und das Geld der anderen.
Der Gesetzgeber will endlich große Reformen – und bittet die Beitragszahler der gesetzlichen Krankenversicherung zur Kasse. Die zu erwartenden dramatischen Erhöhungen der Zusatzbeiträge zum Jahreswechsel sind erst der Anfang.
Im vergangenen September holte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach zum großen Schlag gegen seine Vorgänger aus. Es gebe einen erheblichen „Reformstau“ im Gesundheitswesen. In den vergangenen zehn Jahren habe es nur „Bagatellreformen“ gegeben: „Reformen mit einer großen Überschrift, aber kleiner Wirkung“, so Lauterbach.
Zwei Monate zuvor hatte der Minister im Gesundheitsausschuss 14 Gesetzesvorhaben angekündigt. „Große Gesetzesvorhaben“ mit sehr wichtigen und grundlegenden Reformen, wie er ausdrücklich betonte. „Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz“, „Gesundheitssicherstellungsgesetz“, „Digitalgesetz“ oder „Gesundheitsdatennutzungsgesetz“ lauten die Überschriften.
Was der Bundesgesundheitsminister bislang nicht vorgelegt hat, ist eine Reform der GKV-Finanzierung. Obwohl Karl Lauterbach beispielsweise mit seiner geplanten Krankenhausreform die Kosten für versicherungsfremde Leistungen für die Beitragszahler weiter in die Höhe treiben will, gibt es kein „großes Gesetzesvorhaben“, wie die immer weiter auseinanderklaffende Schere zwischen Beitragseinnahmen und Leistungsausgaben der Kassen in den Griff zu bekommen ist.
Die Folge: Der Zusatzbeitrag allein wird bis zum nächsten Jahr um durchschnittlich 0,6 Prozentpunkte auf dann 2,3 Prozent steigen. Versicherte und Arbeitgeber müssen dann im Jahr 2025 jeweils bis zu 198 Euro mehr zahlen.
Noch ist nicht klar, welche der Gesetzesvorhaben der Bundesgesundheitsminister wirklich umsetzen können wird. Schon jetzt ist aber absehbar, dass sie ab 2026 wieder voll auf den Beitragssatz durchschlagen werden. Die 198 Euro weniger in der Tasche sind also erst der Anfang.
Unsere Position.
- Die ohnehin bereits vorhandene und in den vergangenen Jahren zu beobachtende Entwicklung der Leistungsausgaben, die deutlich über die Preissteigerungsraten hinausgeht, muss gestoppt werden.
- Keine Mehrausgaben für neue Regelungen, die die Versorgung nicht verbessern (Entbudgetierung Hausärzte, Bagatellgrenze, vertraulicher Erstattungsbetrag bei Arzneimitteln).
- Keine Mehrausgaben für neue versicherungsfremde Leistungen (Medizinstudienplätze, Gesundheitskioske, Strukturreform Krankenhauslandschaft).